AKTUELLES
Aktuelle Filmreihe des Arbeitskreises Kirche & Kino:
MACHT.
Macht wirkt. Als Einfluss oder Sog, als Ermächtigung oder Behinderung, als Erfahrung von Stärke oder von Überwältigung. Manchmal fehlt sie als Mittel: ohne Macht will niemand sein. Wir zeigen ausgewählte Filme, die sich damit auseinandersetzen, was Macht bedeutet und wie sie funktioniert – politisch und privat, ökonomisch und psychologisch.
Vor jedem Film gibt es eine Einführung, anschließend die Möglichkeit zum Gespräch.
Alle Filme laufen im Kommunalkino City 46, Birkenstraße 1 (Herdentor).
Berlin Alexanderplatz
D 2020, Regie: Burhan Qurbani, mit Welket Bungué, Jella Haase, Albrecht Schuch, 183 Min., teilw. OmU

Di. 18.11.2025 / 18:00 mit Einführung von Anja Wedig, Referentin Resonanzraum, katholische Citypastoral in Bremen
Berlin im 21. Jahrhundert: Francis hat die Flucht aus Westafrika überlebt und ist fest entschlossen, von nun an ein geregeltes Leben zu führen. Doch das Berlin von heute begegnet ihm ebenso erbarmungslos wie einst Franz Biberkopf, der Figur in Alfred Döblins Literaturklassiker. Francis ist staatenlos, ohne Papiere und hat keine Arbeitserlaubnis. Zusätzlich hat er mit dem Trauma seiner Flucht und dem Tod seiner Partnerin zu kämpfen. In seiner prekären Situation erlebt Francis immer wieder Ablehnung und Ausgrenzung. Als er dem Kriminellen Reinhold begegnet, entwickelt sich zwischen den beiden eine Beziehung voller Abhängigkeit und Gewalt. Schritt für Schritt wird Francis in die Welt von Drogenhandel und Verbrechen hineingezogen. Erst die Clubbesitzerin Eva und Escort-Girl Mieze geben ihm die Hoffnung auf etwas, dass sich wie Glück anfühlen könnte.
Qurbani hat die erzählerischen Eckpfeiler des Romans weitgehend so belassen wie bei Döblin, sie aber komplett umgedeutet. Hier ist es nicht einfach ein Kleinkrimineller, der erfolglos „ein guter Mensch werden“ möchte, sondern ein Migrant ohne Pass, der sich mit all den Schwierigkeiten konfrontiert sieht, die ein Illegaler in Deutschland bewältigen muss: an gültige Papiere kommen, angemessene Arbeit finden, sozial akzeptiert werden. Letzteres gelingt diesem Francis in der Berliner Nachtwelt, etwa bei der Barbetreiberin Eva (Annabelle Mandeng), deren Familie aus Nigeria stammt und die sich mit ihm nicht allein über die gemeinsame Liebe zum Afrobeat von Fela Kuti austauscht, sondern ihn auch mit den Unterscheidungen zwischen Weiß und Nichtweiß aus Sicht einer nichtweißen Deutschen vertraut macht. Zudem lebt Eva zusammen mit Berta (Nils Verkooijen), die sich selbst als „Transe“ bezeichnet. Diese Aktualisierungen integriert Qurbani, ohne den didaktischen Zeigefinger zu schwingen, in seinen Film. (Tim Caspar Boehme, www.taz.de)
Weitere Filme in dieser Reihe:
She Said
USA 2022, Regie: Maria Schrader, mit Carey Mulligan, Zoe Kazan, Patricia Clarkson, 129 Min., OmU

Di. 28.10.2025 / 18:00 mit Einführung: Ingeborg Mehser, vormals Referentin Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt
Die New York Times-Journalistinnen Megan Twohey und Jodi Kantor erhalten Hinweise, laut denen der erfolgreiche Filmproduzent Harvey Weinstein über Jahre hinweg Frauen sexuell belästigt und missbraucht haben soll. Die beiden beginnen zu recherchieren, stoßen dabei aber auf eine Mauer aus Schweigen und Angst. Die ehemaligen Mitarbeiterinnen, Schauspielerinnen und Anwält*innen sind nicht bereit zu sprechen oder als Opfer durch rechtliche Maßnahmen zum Schweigen verpflichtet. Dennoch gelingt es Twohey und Kantor, Stück für Stück belastbare Aussagen und Belege zusammenzutragen. Die Veröffentlichung ihres Artikels in der New York Times bringt den Skandal im Jahr 2017 an die Öffentlichkeit und löst eine Welle an weiteren Enthüllungen aus. Es ist der Beginn der #MeToo-Bewegung.
Es ist ein großer Triumph, dass „She Said“ den Täter, dessen über allem schwebende Omnipräsenz eine Unvermeidlichkeit darstellt, nur ein einziges Mal, und zwar in einer Halbnahen von hinten, im Bild erscheinen lässt. Denn hier stehen die Frauen, ihre Namen, Aktionen und Gesichter im Zentrum. Hier geht es um die Frauen, die sich wehren und die sich untereinander verbünden und auch mit ihren männlichen Allies – wesentlich beteiligt ist etwa Chefredakteur Dean Baquet, der dem System Weinstein genauso vehement den Kampf ansagt – am Fall des Systems arbeiten. (Bianca Jasmina Rauch, www.filmloewin.de)
Wer die Regiearbeiten von Maria Schrader kennt, kommt nicht umhin, ihrer Fähigkeit höchste Anerkennung zu zollen, sich und ihre Filmsprache von Film zu Film und dem jeweiligen Thema und Inhalt angemessen gegebenenfalls neu zu erfinden. Waren es bei ihrem vorherigen Spielfilm ICH BIN DEIN MENSCH noch vorwiegend exzentrische und überaus artifizielle Tableaus, mit denen die Regisseurin arbeitete, so arbeitet sie hier viel enger an der Gegenwart orientiert, zeigt den mitunter mühsamen Weg der Recherchen, der Holz- und Irrwege, der Redaktionssitzungen und Einschüchterungsversuche, die ein diffuses Gefühl der allgegenwärtigen Bedrohung erzeugen, zugleich aber vieles im Ungefähren belassen und so einen wirkungsvollen Spannungsbogen erzeugen. (FBW-Prädikat: Besonders wertvoll)
Der Realität einer journalistischen Investigation mit all ihren Details, die man der Wirklichkeit einzeln aus der Nase ziehen muss, kommt dieser Film so nahe wie vor ihm nur „Die Unbestechlichen / All the President’s Men“ von Alan J. Pakula aus dem Jahr 1976 (…). „She Said“ zeigt dieselbe Zähigkeit, dieselbe Besessenheit noch für die kleinsten Details, die helfen sollen, ein riesiges, lange nur erahntes Verbrechen aufzudecken. (Tobias Kniebe, www.sueddeutsche.de)
Citizen Kane
USA 1941, Regie: Orson Welles, mit Orson Welles, Joseph Cotten, 119 Min., OmU

Di. 23.9.2025 / 18:00 mit Einführung von Dirk von Jutrczenka, forum Kirche
„Rosebud“, so lautet das letzte Wort des reichen Medienmoguls Charles Foster Kane, als er einsam in seinem Privatanwesen Xanadu stirbt. Was es damit auf sich hat, versucht der Journalist Jerry Thompson für einen Nachruf zu ergründen. Er befragt frühere Weggefährt*innen Kanes, um hinter das Geheimnis des Mannes zu kommen, der die Geschicke der USA maßgeblich beeinflusste und mit den Mächtigen seiner Zeit verkehrte – dem jedoch selbst eine politische Karriere ebenso versagt blieb wie privates Glück.
Orson Welles ist damals erst 25 Jahre alt und es ist sein erster Film nach seinem bahnbrechenden Hörspiel „Krieg der Welten“, mit dem er 1938 die USA in Panik vor einem Angriff Außerirdischer versetzt hatte. Sein Filmdebüt ist vom Leben des reaktionären Zeitungsunternehmers William Randolph Hearst (1863 bis 1951) inspiriert, einem der mächtigsten innenpolitischen Gegner von US-Präsident Roosevelt, und ein interessantes kulturelles Zeugnis der New Deal-Ära. In der BRD startete „Citizen Kane“ erst im Jahr 1962.
Nur wenige Meisterwerke des Kinos haben die Entwicklung der Filmsprache so nachhaltig beeinflusst wie Orson Welles‘ legendäres Regiedebüt „Citizen Kane“. Vor allem drei formale Aspekte erwiesen sich dabei als wegweisend für das moderne Kino: So brach der Film mit der Hollywood-Tradition des linearen Erzählens, indem er den Weg des Protagonisten vom jungen Idealisten zum skrupellosen Machtmenschen aus der Sicht verschiedener Wegbegleiter in langen, sich teils widersprechenden Rückblenden zeigte. Ebenso wie die multiperspektivische und elliptische Erzählstruktur sorgte auch die Kameraarbeit Gregg Tolands für Aufsehen: Seine geschickte Anwendung der Tiefenschärfe machten Gegenschüsse und Zwischenschnitte weitgehend überflüssig. Aber auch Tolands expressive, an deutsche Stummfilme erinnernde Licht-und-Schatten-Fotografie fand viel Beachtung. Sie gilt als stilbildend für den Film noir der 1940er-Jahre. (Bundeszentrale für politische Bildung)
Um Hearsts Anti-PR-Kampagne ranken sich Mythen. Dazu passt, dass Citizen Kane an den Kinokassen bekanntlich zum Flop gerät. Bei der anschließenden Oscar-Verleihung speist ihn die Academy nach neun Nominierungen im Vorfeld mit dem Goldjungen für das beste Drehbuch ab. Das einstige Wunderkind Welles bleibt ein unvollendetes Genie. Ein Teil dieses Misserfolgs ist auf Hearst „Bemühungen“ zurückzuführen. Man darf allerdings nicht vergessen: Als Film ist Citizen Kane seiner Zeit voraus – das zeitgenössische Publikum kann mit der unsympathischen Hauptfigur und dem insgesamt eigenwilligen Beitrag wenig anfangen. Das Prädikat „Meisterwerk“ verdient sich der Film erst im Laufe der Jahre. (Patrick Torma, www.journalistenfilme.de)